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AutorenbildPhillip Böckel

Marktupdate: Einordnung Zinssenkung der Zentralbanken

Beachten Sie bitte den Haftungsausschluss und Hinweise am Ende dieses Beitrags!


Einer der, wenn nicht der wichtigste Einflussfaktor für die kurz- bis mittelfristige Entwicklung an den Börsen und anderen Wertanlagen, ist die Politik der Zentralbanken. Am Mittwoch hat die amerikanische Zentralbank FED die Zinsen um 0,50% gesenkt. Meine Einschätzung hierzu möchte ich Ihnen nachfolgend schildern. 


Exkurs: Warum ist die Geldpolitik so entscheidend für die Entwicklungen an der Börse?

Das hat im Wesentlichen zwei Gründe:

  1. Die Geldpolitik bestimmt direkt (Anleihenkäufe, Bankenregulierung in der Kreditvergabe) und indirekt (Zinspolitik) über die Geldmenge. Die Geldmenge wiederum ist sozusagen der "Nenner" in der Gleichung zur Wertbestimmung einer Anlage. Beispiel: Stellen Sie sich einen fiktiven Kleinstaat vor, in dem es lediglich 10 identische Häuser gibt, in denen wiederum 10 Menschen leben. Die Zentralbank dieses Staates hat insgesamt 1.000 Euro in Umlauf gebracht. Andere Wertanlagen und Güter gibt es nicht. Wie hoch ist nun der Preis dieser Häuser? Einfache Mathematik, ein Haus sollte maximal 100 Euro kosten. Nun beschließt die Zentralbank, die Geldmenge zu verdoppeln, es sind also 2.000 Euro im Umlauf. Die Inflation ist nun der ausgleichende Effekt, der dafür sorgt, dass Güter und Sachwerte sich der Geldmenge im Preis anpassen. Mit der neuen Geldmenge würde sich also der Preis der Häuser auch verdoppeln und 200 Euro pro Haus scheinen plötzlich normal. Das ist natürlich ein stark vereinfachtes Beispiel, da in der Realität viel mehr Einflussfaktoren eine Rolle spielen, zeigt aber das Prinzip der Inflation und den Zusammenhang zur Geldmenge. Es spielt dabei keine Rolle ob das Wirtschaftsgut nun ein Haus, eine Aktie oder z.B. Gold ist. Entscheidend ist: Der Wert des Hauses ist gleich geblieben: Mit einem Haus besitze ich noch immer 10% am Gesamtvermögen der Wirtschaft. Lediglich der Preis hat sich verdoppelt. 

  2. Psychologie: Der Gesamtmarkt weiß um diesen Zusammenhang. Börse ist jedoch immer eine Projektion der Zukunft, da alle Marktteilnehmer versuchen, für die Zukunft bestmögliche Entscheidungen zu treffen. Da die Notenbank wie eben beschrieben einen so großen Einfluss auf die Preisentwicklung hat, schauen die Marktteilnehmer sehr genau auf die Handlungen und fast noch wichtiger - die Aussagen der Notenbanken zu Ihrer Politik. 


Was ist passiert und was bedeutet das?

  • Grundsätzlich hat die Zentralbank zwei Aufgaben (in Ihrer ursprünglichen Idee eigentlich nur eine, aber die Vernetzung mit der Politik hat in der Vergangenheit zu einer Ausweitung dieses Mandats geführt). Einerseits und ursprünglich: Die Erreichung eines stabilen Inflationsniveaus. Als Ziel haben die meisten Notenbanken eine Inflation von 2% p.a. definiert. Andererseits: Die Stimulation der Wirtschaft. Diese Stimulation geht in zwei Richtungen: Bei zu hoher Inflation "bremst" die Notenbank, z.B. durch Zinserhöhungen, die Wirtschaft, wie es die letzten Monate passiert ist. Bei zu niedriger oder fallender Inflation - in diesen Zyklus gehen wir jetzt über - um die Wirtschaft anzukurbeln, unter anderem durch Zinssenkungen. 

  • Da wir nun wieder in eine Phase übergehen, in der die Notenbanken versuchen, die Wirtschaft anzukurbeln, ist das für Wertanlagen ein positives Zeichen für deren zu erwartende Preisentwicklung, da z.B. eine höhere Wirtschaftsleistung natürlich auch höhere Preise rechtfertigt und niedrigere Kreditzinsen für höhere Unternehmensgewinne sorgen. Hieraus resultiert die sogenannte "Vermögenswert-Inflation" - diese ist für alle Anleger wünschenswert. 

  • Das Problem: So einfach ist es nicht. Hier kommt wieder die Psychologie ins Spiel. Die Marktteilnehmer haben bereits vor Wochen erwartet, dass die Zentralbank die Zinsen anheben wird und diese Erwartung durch Transaktionen sozusagen schon vorab in den Markt "eingepreist." Die insbesondere am gestrigen Tag positive Wertentwicklung an den Märkten ist daher nicht auf die Zinsanhebung selbst, sondern auf die nun weichende Unsicherheit über die Höhe der Zinssenkung zurückzuführen, Nicht wenige Marktteilnehmer hatten z.B. mit einer Zinssenkung um lediglich 0,25% gerechnet. Der Markt hasst Unsicherheiten und bis zur Vollendung von Tatsachen bleibt immer ein gewisser Zweifel, ob es nicht doch anders kommt, als gedacht. 


Warum ist die Zinssenkung bei der Veröffentlichung fast schon zweitrangig?

Als viel wichtiger als die eigentliche Verkündung der Entscheidung über die Zinssenkung hat sich häufig das, was auf der Pressekonferenz der Notenbank hierzu als Erklärung geliefert wird, herausgestellt. Während der Pressekonferenz unterliegt der Gesamtmarkt häufig enormen Schwankungen, da jede Äußerung interpretiert und als Ausblick auf die Zukunft gedeutet wird. Hierbei werden häufig nicht nur die Aussagen selbst herangezogen, sondern auch die Art und Weise, wie es gesagt wird. Hier wird sozusagen ein bis ins letzte Detail geplantes, fast schon schauspiel-ähnliches Stück aufgeführt, um die Marktteilnehmer in die gewünschte Richtung zu bringen. 


Was wurde am Mittwoch gesagt und wie interpretiere ich die Situation?

Zunächst: Wie wurde es gesagt?

  • Der Notenbankpräsident Jerome Powell ist als sehr nüchtern und streng bekannt. In den vergangenen Sitzungen im Zyklus der Zinsanhebungen wurde häufig ein ernster Ton gewählt, um klarzumachen, dass die Notenbank den "Kampf gegen die Inflation" todernst meint. 

  • Wer war dieser Mann? Im völligen Kontrast steht dagegen die letzte Pressekonferenz, in dem J. Powell teilweise sogar Witze machte und offensichtlich nach allen Regeln der Kunst versuchte, Zuversicht im Hinblick auf die Zukunft und den Zustand der Wirtschaft auszustrahlen. 

  • Der Markt hat ihm diese Botschaft "abgekauft" und so sind die Kurse gestern teils deutlich gestiegen. 


Was wurde gesagt?

  • Natürlich wurde zunächst die Zinssenkung um 0,50% verkündet. 

  • Jerome Powell entscheidet nicht allein. Hinter ihm steht ein Gremium an Notenbankern, die mit Stimmrechten über die Zins- und Geldpolitik mitentscheiden. Spannend dabei: Hier gab es wohl diesmal eine gewisse "Uneinigkeit." 11 Mitglieder des Gremiums haben sich für eine Zinssenkung von 1,00% bis Ende 2024 ausgesprochen, 10 Mitglieder für lediglich 0,75%. Herr Powell hat das in der Pressekonferenz gekonnt überspielt und ein Bild der Einigkeit gezeichnet. Es bleibt aufgrund der Stimmrechte also eine gewisse Unsicherheit, ob die US-Leitzinsen bis Ende 2024 eben um 1,00% oder lediglich 0,75% gesenkt werden - 0,50% des Weges wurden am Mittwoch bereits gegangen. 

  • Powell wurde darüber hinaus von einer Journalistin gefragt, ob er sich Sorgen über den Zustand der Wirtschaft mache (hier gab es ja mit dem Kursrutsch Anfang August große Bedenken am Markt). Seine Antwort: Ein klares und bemüht-entspanntes "Nein". 


Wie interpretiere ich das?

Es ist offensichtlich, dass die Sitzung ein klares Ziel verfolgte: Der Markt solle sich beruhigen, denn "alles ist gut und in bester Ordnung". Nun könnte ich sagen, dass das schon so stimmen wird und diese Nachricht ähnlich wie die Mehrheit der Marktteilnehmer einfach so hinnehmen und als geltendes Gesetz auffassen. Geld verdient man an der Börse aber nicht - zumindest nicht langfristig - wenn man einfach der Masse hinterherläuft, sondern Dinge kritisch hinterfragt. So sehe ich folgende Probleme und Risiken nach dieser Konferenz: 

  1. Interessenkonflikte bzw. Politische Interessen: Powell ist politisch dem demokratischen Lager zuzuordnen, das mit Joe Biden aktuell auch in Regierungsverantwortung ist. Dieses Jahr wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Die USA ist ein äußerst kapitalmarktaffines Land und die Mehrheit der Bürger stützt die Altersvorsorge hauptsächlich auf den Aktienmarkt. Wenn sich während einer Amtszeit der Aktienmarkt besonders positiv entwickelt, erhöht das in nennenswertem Umfang die Zustimmung zur regierenden Partei. Kurzum: Fallende Aktienkurse kurz vor der Wahl wären den Demokraten sicher ein Dorn im Auge und könnten für den Ausgang der Wahl den entscheidenden Unterschied bedeuten. Der sichtlich den Markt stützende Auftritt am Mittwoch sollte also zumindest mit einem Fragezeichen bei möglichen Interessenkonflikten betrachtet werden, ohne hier eine Wertung vornehmen zu wollen. 

  2. Gerade vor diesem Hintergrund könnte auch der betrachtete Zeitrahmen eine Rolle spielen. Solange die Notenbank die Märkte "über die Wahl retten" könnte, wäre schon viel für sie gewonnen. Die Analysen der Notenbank beziehen sich außerdem mehrheitlich auf eher kurzfristige Entwicklungen von Wirtschaftsdaten. Wie bereits im letzten Marktupdate geschildert, sehe ich jedoch zumindest am Horizont einige dunklere Wolken aufziehen, was diverse Wirtschaftsdaten und damit auch eine gewisse Rezessionswahrscheinlichkeit in den USA bedeutet. Aktuell sind diese Signale noch nicht abschließend bestätigt, könnten aber z.B. in 2025 für größere Schwierigkeiten sorgen, sofern diese sich bestätigen. 


Mein Ausblick & Maßnahmen

Aufgrund der Notenbankentscheidung und insbesondere deren Inszenierung sehe ich kurzfristig nun eine geringer werdende (aber noch immer bestehende (!)) Wahrscheinlichkeit für eine erneute, kurzfristig einsetzende Korrektur am Aktienmarkt, bevor es dann - und dies in der Wahrscheinlichkeit unverändert - in Richtung weiterer Allzeithochs weitergeht. Am langen Ende besteht aufgrund eben beschriebener Warnsignale im Hinblick auf eine Rezession aber noch immer eine nennenswerte Wahrscheinlichkeit dafür, dass im Laufe des Jahres 2025 größere Probleme auftreten könnten - vorausgesetzt, die Warnsignale bestätigen sich. Sollte es zu dieser Bestätigung kommen, habe ich bereits ein Maßnahmenpaket für meine Kunden vorbereitet.


Möglich ist jedoch auch, dass sich die Notenbankpolitik tatsächlich derart stimulierend auf die Wirtschaft auswirkt, dass die Bestätigung der Warnsignale und damit eine größere Korrektur ausbleibt und sich erst irgendwann in Zukunft ein neuer Grund für eine mögliche Korrektur finden muss. Bis dahin wäre es falsch, den noch zu erwartenden "Weg nach oben" und damit Rendite zu verpassen. 


Ich handhabe es bis auf Weiteres wie gehabt: Mit der Auswahl der richtigen Anlagen, die ein begrenztes Abwärtsrisiko und aussichtsreiche Renditen versprechen, weil sie günstig bewertet sind, schlafe ich ruhig. 


Da jedoch der Gesamtmarkt weiterhin eher am oberen Ende der historischen Bewertungen notiert, halte ich es auch nicht für falsch, etwas "trockenes Pulver" vorzuhalten und etwaige Rücksetzer als Nachkauf-Gelegenheit zu nutzen. Im Musterportfolio sehe ich hierfür deshalb aktuell eine Cash-Quote, gehalten in Geldmarkt-ETFs, von 15%, alternativ die Beimischung eines gewissen Anteils festverzinslicher Wertpapiere vor. Wer viel Zeit im Sinne von Anlagehorizont mitbringt, sind all diese Betrachtungen aber ohnehin nachrangig, wenn heute gute und günstige bzw. fair bewertete Anlagen gehalten werden. 


Haftungsausschluss / Disclaimer / Auskunft zu Interessenskonflikten

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Hinweis zu möglichen Interessenskonflikten: Der Autor hält zum Zeitpunkt der Veröffentlichung börsliche Finanzinstrumente oder außerbörsliche Wertanlagen, die den folgendem im Text genannten Basiswerten entsprechen:

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